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Donnerstag, 29. April 2021

Moral oder war da noch was?

 

Denken Sie bloß nach! Mit der Moral ist es genau wie mit der Religion. Man muss immer den Eindruck haben, dass es eine gibt, und einer muss vom andern glauben, dass er eine hat. Meinen Sie denn, dass es noch eine Religion geben würde, wenn die Kirche unsere Sünden öffentlich verhandeln würde? Aber sie vergibt sie im stillen, und so schlau sollte der Staat auch sein.

Ludwig Thoma


Kaiserslautern. Zu einem Theaterskandal kam es im Stadttheater anlässlich einer Aufführung der Operette „Wenn die Liebe erwacht“. Durch verschulden des Oberspielleiters Schliephak wurden im 2.- und 3. Akt einige Auftritte so derb realistisch zur Darstellung gebracht, dass das Anstandsgefühl der Zuhörer aufs gröblichste verletzt wurde. Ein Teil der Besucher veranlasste während der Aufführung eine Kundgebung in der laute Proteste, Pfuirufe usw. ertönten. Nach der Vorstellung versammelte die Direktion die Pressevertreter, um ihnen die Mitteilung zu machen, dass für sofortige Abstellung der Missstände gesorgt wurde.

22.03.1922


                                      Dabei ging es in Berlin richtig zur Sache.

                                                       




Heinrich Zille, in Berlin auch „Pinselheinrich“ genannt, gehört noch heute zu den bekanntesten und beliebtesten Künstlern der Stadt Berlin. Dabei war ihm eine Künstlerkarriere nicht in die Wiege gelegt: Erst seine Entlassung als Lithograf bei der Photographischen Gesellschaft veranlasste ihn 1907, sich ganz seiner Kunst zu widmen. Die Darstellung von Szenen aus der proletarischen Unterschicht.  





                        War es im Nachkriegsdeutschland besser?


Das sündige Dorf


Das es in der 250 Seelen zählenden Gemeinde oft recht lustig zuging, dafür sorgte schon die Land- und Dorfwirtin H.M., unter Insidern „ die keusche M.“.

Frau Wirtin konnte getrost auf den Gymnastikkurs verzichteten denn trotz der Arbeit hatte sie immer noch eine „Bella Figura“. Sie spielte mit den Blicken der Männer und ihr Gang betonte noch ihre Qualitäten, ja sie war ein Vollweib wie Anita Ekberg und wäre wahrscheinlich mit ihren langen Beinen nicht mal im Trevi-Brunnen versunken. Das Geschäft lief nicht schlecht, doch eines Tages überraschte sie ihren Mann bei der Bilanz. “Ich kann es hin-drehen wie ich will, es kommt nicht mal eine Null heraus, meinte ihr stolzer Besitzer, wir schreiben rote Zahlen. Von da an hing der Haussegen schief, bis eines Tages der Versicherungsvertreter Karl, Jürgen Buchner Spitzname „Rotlicht-Charlie“ auftauchte. Von nun an war Frau Wirtin wie ausgewechselt, an einem Samstag Abend – es waren fünf Männer in der Gastwirtschaft wurde alles verdunkelt und nur eine Nachttischlampe erhellte den Raum. Frau Wirtin ging zur Musikbox und drückte die Tastenkombination D 4, nein es war keine Schnellzugnummer sondern ein Song der die Herzen der Anwesenden höher Schlagen lies.


                                 


Mit der Nachttischlampe als Spot verfolgte ihr Ehemann sämtliche Bewegungen seiner Gattin, erst drehte sie sich im Kreis, dann einen eingesprungenen Rittberger nach links und plötzlich knickte sie mit dem Schuh um, den Gästen blieb der Atem weg. Aaaaaah, der alte Haslinger tupfte sich mit einem Schneuztuch die Stirn ab, was war dass für eine Vorstellung, Die „M.“ ging aufs „Ganze“ als sie den Rollkragenpullover auszog flogen die Funken, der Gmeininger meinte, dass ist schöner als das Feuerwerk zu Silvester. Sie schwang ihr Gesäß im Rhythmus der Musik, und plötzlich klemmte der BH- Verschluss, die Gäste konnten nicht mehr hin sehen vor lauter Ekstase, doch plötzlich ein Ruck und die üppigen Melonen purzelten im Takt. Gmeininger hielt es auf seinem Stuhl nicht mehr aus, er hatte vor lauter Aufregung in die Hose gepieselt. Die Wirtin lies sich nicht aus der Ruhe bringen, mit einem verführerischen lächeln hantierte sie am Rock, und das Publikum erstarrte in einem „Ooooh“. Als der Feinripp zum Vorschein kam schmiss Gmeininger vor lauter Stielaugen das Bier runter, und die Vorstellung war beendet. Eine ganze Woche sprach der alte Haslinger kein Wort mehr mit seinem Freund Gmeininger.

Von nun an fielen jeden Samstag die Hüllen, und die Männer erfanden immer neue ausreden gegenüber ihren ihnen angetrauten Ehefrauen.

Der kleine Franzi, hatte eines Tages sein Fahrrad am Wirtshaus-Fenster angelehnt und durch einen kleinen Spalt sah der Knabe seinen Vater beim „Spielen“. Er konnte das Gesehene noch nicht richtig einordnen und fragte seine Mutter.


Frau Wirtin spielte auch Striptease

Der Umsatz sollt die Schulden tilgen – Neun Monate Gefängnis für den Ehemann

Schw.. (LB) - „Striptease auf dem Dorf“ spielte jahrelang eine Wirtsfrau in O. im Landkreis H. ihr Ehemann, der 43jährige Land- und Gastwirt Friedrich M., wurde deswegen vom Schöffengericht Sch. wegen fortgesetzter schwerer Kuppelei zu neun Monaten Gefängnis mit Bewährungsfrist verurteilt. Der Angeklagte muss eine Geldbuße von 500 Mark bezahlen.

Mit Sodom und Gomorrha verglich der Gerichtsvorsitzende, Oberamtsrichter Dr. K., die Vorfälle, die sich in den Jahren 1957 und 1958 in der Küche oder im Schlafzimmer des Gastwirts hinter verhängten Fenstern abgespielt hatten. Zechgelage mit Gästen waren in den Wohnräumen fortgesetzt worden, wobei die Wirtsfrau „Striptease“-Szenen zum besten gab und der Angeklagte fleißig Schnaps und Bier einschenkte und so den Umsatz in die Höhe trieb. Die Gäste begnügten sich sich dabei allerdings nicht mit dem Zuschauen. „In dem Dorf bangten Frauen um ihre Männer, dass sie in den Sumpf mit hineingezogen würden“, kommentierte der Gerichtsvorsitzende die Geschehnisse. Eine Frau platzte dann eines Morgens in ein solches Gelage nachdem sie die Tür eingedrückt hatte, um ihren Ehemann herauszuholen.

Da sich bei den polizeilichen Ermittlungen die beteiligten Gäste zunächst ausschwiegen, hatte die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellen müssen.

Der Sittenskandal erst aufgerollt werden, als verschiedene Gäste ihr Schweigen brachen und „auspackten“. Vor Gericht behauptete der Angeklagte Gastwirt und seine als Zeugin vernommene Ehefrau, sich an nichts mehr erinnern zu können. „Da müssen wir total betrunken gewesen sein“, erklärten sie. In der Urteilsbegründung warf das Gericht dem Gastwirt vor, er habe bei den Gelagen beide Augen zugedrückt, um die ihn drückenden Schulden wegen eines Umbaues durch die auf diese Weise gesteigerten Umsätze und Gewinne schneller abzahlen zu können.


WBA 28.04.196.




Donnerstag, 22. April 2021

Die Schwiegermutter oder Hello Stasi

 



Die Schwiegermutter


Von der Anatomie tat sich der Silbereisen Blasius vom Moahof schwer eine passende Frau zu finden. Seine Mutter die Silbereisen Zenz, in der ganzen Gegend unter dem Namen „Moa Wabi“ bekannt, ermahnte ihn; Du bist Bauer und suchst Frau, geh zu an Schmuser (Heiratsvermittler) und sage ihm er soll dir eine brave Frau suchen. Es dauerte auch nicht lange und es läuteten die Hochzeitsglocken für den Blasi. Die Stasi war zwar nicht schön, aber sie hatte das Herz am richtigen Fleck und so schenkte sie im sieben gesunde Kinder. Ja, so richtig freuen konnte sich der Blasius nicht, denn der gewünschte Stammhalter blieb ihm versagt. Die Mädchen waren alle herzeigbar und so herrschte als die ersten Mädchen, dass heiratsfähige Alter erreichten nachts ein reger Betrieb. Blasius sah sich veranlasst, einen neuen Wachhund einzustellen, denn der bisherige Hofhund wurde mit Wurst, läufigen Hündinnen und Kalbsknochen bestochen. Um dem Trubel ein Ende zu bereiten, war er auf die Idee gekommen sich noch einen Gänserich anzuschaffen, nach nur zwei Tagen hatte ihm jemand den Hals umgedreht. Blasius meinte zu seiner Frau, sobald sie alle volljährig sind müssen sie aus dem Haus. Die Stasi hatte ihre Töchter gut erzogen und so fanden sich auch genügend Abnehmer. Die Mitgift musste gar nicht so hoch sein, den alle waren fleißig und ehrbar.

Die Stasi sah es als ihre Pflicht an, ihren Töchtern einen Besuch abzustatten und nach dem Rechten zu sehen und falls der eheliche Haussegen einmal schief hing in wieder gerade zu bügeln. Blasius, meinte der Gemeindepfarrer letztens, die Stasi kann so leicht nichts erschüttern.





Laufen. Vor einiger Zeit besuchte eine Schwiegermutter ihre Tochter. Wie üblich, machten die beiden einen Rundgang von Zimmer zu Zimmer und die Tochter zeigte der Mutter all ihre Schätze. So kamen sie auch auf den Dachboden. Hier lagen schöne Nüsse und zwar auf einer mit leichten Brettern zugedeckten Stelle, an der früher ein Kamin stand. Die Tochter meinte, die Mutter möge sich einige Nüsse mitnehmen. Die Ahnungslose ging darauf ein, trat auf die Bretter und – im nächsten Augenblick war sie zum Entsetzen der Tochter im Kamin verschwunden. Die Höllenfahrt der Mutter ging mit D - Zuggeschwindigkeit vom Dachboden in den ersten Stock und von da ohne Aufenthalt weiter in die Küche zu ebener Erde. Die Schwiegermama landete auf einem "Sparherd" und legte dank der Widerstandskraft ihres „Allerwertesten“ einen Milchweidling in Trümmern. Sie wunderte sich nicht wenig, dass die Fahrt so ganz ohne jeden Unfall vor sich gegangen war. Rasch betastete sie die Glieder, keines war gebrochen, nur das Herz schlug vor Schrecken etwas schneller. Der eben in der Küche eintretende Schwiegersohn sah seine Schwiegermama voll Ruß im Gesichte auf dem Ofen sitzen und meinte bloß: „Na, wo kommst denn du her“.


21.11.1922


Montag, 19. April 2021

Wie es wirklich war - Teil 2

Fortsetzung von Teil 1

Es sollte und durfte doch keiner wissen, wem er auf seinem Heuboden Quartier gewährt hatte. Noch war alles rings herum ruhig, noch waren die Nachbarn nicht unterwegs. Er nahm geschwind eine Brechstange und verpasste damit der Tür zur Futterkammer Einbruchspuren und er riss damit den Verschluss von der Tür zum Motorenhäuschen ab, so dass man dort ungehinderten Zugang hatte. Im Motorenhäuschen war der Benzinmotor des Bauernhofes untergebracht, er war mal der ganze Stolz von Andreas Gruber. Derzeit war er - also der Motor - aber schon wieder defekt und der Monteur, der schon lange bestellt war, ließ bereits wochenlang auf sich warten. In diesem Zustand war der Motor jedenfalls keine Erleichterung bei der Arbeit auf dem Hof. Vom Motorenhäuschen gingen nur kleine Löcher in den Stadel, durch die die Riemen liefen. Ein Mensch kam von hier aus nirgends hin, es war wie eine Sackgasse und da der Motorblock zu schwer zum Stehlen war, schien es Andreas Gruber keine große Gefahr, die Tür unverschlossen zu lassen, auch in diesen schweren Zeiten, in denen viel Gesindel, Hausierer und Verbrecher unterwegs waren. Angriff ist die beste Verteidigung, er würde nachher selber seine Nachbarn auf die Spuren aufmerksam machen und ihnen von den Einbruchspuren erzählen. 

Und noch eine wichtige Mission hatte er zu bewältigen, seine Frau und Viktoria mussten informiert werden. Das würde wieder ein Gezeter geben. Insbesondere Viktoria war von seinen Geschäften gar nicht angetan, sie hatte Angst. Sie wollte weder etwas von den Waffenschiebereien wissen, die über den Hof liefen, noch wollte sie sich politisch auf eine Meinung festlegen lassen. Sie hatte Angst um ihre Kinder und Angst vor der Zukunft. Der Hof war für sämtliche Transaktionen vorbei am Auge des Gesetzes und unbehelligt von Blicken durch neugierige Nachbarn ideal, denn ein Pferdefuhrwerk oder ein Motorwagen konnte ganz schnell von Gröbern an Hinterkaifeck vorbei nach Schrobenhausen oder nach Brunnen oder von Brunnen nach Schrobenhausen oder nach Gröbern oder andere Strecken zurücklegen. Nie konnte jemand mit Sicherheit sagen, ob an Hinterkaifeck gehalten wurde und wenn ja, für wie lange Zeit. Das machte den Hof so ungemein interessant für die Waffenschiebereien, denn das Abladen oder Aufladen beanspruchte ja doch einige Zeit. Allein die Lage des Hofes führte ja schließlich dazu, dass Andreas Gruber trotz seiner Zuchthausstrafe in die örtlichen Gemeinschaft wieder voll integriert war. Er war sogar Mitglied der Einwohnerwehr Wangen und daher auch im Besitz eines Gewehres 98K.  

 Mit Teil 3 geht es weiter.



Die Windbeutl-Bande

Auf einem Weiler in Kreuth Gemeinde Allershausen hat eine neunköpfige Bande auf unmenschliche Art einen Einödbauern und seine Familie gequält.

Hier die Geschichte von dem Heimatforscher Ernst Keller aus Fürholzen (Kreis Freising).



                                                     Erschienen: OVB 17./18.April 2021

Donnerstag, 8. April 2021

Pubertätsdelikt

 

Verbrechen an der Mutter seiner Freunde


Ein typisches Pubertätsdelikt“ - 17 jähriger wollte sein Opfer verbrennen


Pfaffenhofen. Als ein typisches Pubertätsdelikt bezeichnete der Sachverständige von der Psychiatrischen Klinik München die grausige Tat des 17 jährigen Lehrlings Adolf P. aus Pfaffenhofen, der eine 35 jährige Frau, die Mutter seiner Freunde, bewusstlos geschlagen, gewürgt und vergewaltigt hatte und auch noch verbrennen wollte. Für ein Verbrechen der Notzucht, der gefährlichen Körperverletzung und der Brandstiftung verurteilte ihn die Jugendstrafkammer des Landgerichts München in Ingolstadt zu fünf Jahren Zuchthaus.


Adolf P. kam am 08.Oktober 195. zu der Mutter seiner Freunde, der 35 jährigen Arztgattin Gertrud N. in R. bei Pfaffenhofen, zum Bücherumtausch und traf die Frau in der Wohnung alleine an. Er schlug der Ahnungslosen mit einem Holzscheit auf den Hinterkopf und würgte sie, bis sie bewusstlos am Boden lag. Dann schnitt er der Frau , die er nach seiner Aussage für tot hielt, die Kleidung auf und verübte ein Notzuchtverbrechen. Um die Spuren zu verwischen, häufte er brennbares Material rund um sein bewusstloses Opfer und zündete es an.

Nach Verbarrikadieren der Tür flüchtete er durch das Fenster. Fünf Tage später wurde er in Füssen von der Landpolizei ergriffen. Er gestand den „Mord“, ohne zu wissen, dass schon kurze Zeit später nach seinem Verbrechen die Pfaffenhofner Feuerwehr die bewusstlose Frau aus der brennenden Baracke gerettet hatte.


04.10.5.


Hinterkaifeck soll ein "Liebes-Mord" gewesen sein, doch welcher Liebhaber soll es gewesen sein? Vielleicht ein "Halbstarker", der in Hitzewallungen geriet, wenn er Viktoria Gabriel sah. Der nach den Morden seine Depressive Phase überwunden hatte. Der seine Opfer abdeckte und sie zur Wiedergutmachung aufschichtete, natürlich mit brennbarem Material.



                                                 Aus dem Staatsarchiv München

Donnerstag, 1. April 2021

Wie es wirklich war - Teil 1

 Alte Aufzeichnungen lassen einem unter Umständen den Atem stocken. Zu erkennen, dass die eigenen Vorfahren fähig zu Raub, Mord und Totschlag waren, erschreckt im ersten Moment. Aber dann obsiegte die Neugier und mein eigenes Schreibtalent und deswegen wird es hier innerhalb des nächsten Jahres die wahre Geschichte als Fortsetzungsroman geben. Und so werden alle zum 100. Todestag der Hinterkaifecker die wahre Geschichte kennen. 




Ende März des Jahres 1922 irgendwo südlich des Donaumooses.

Es war zwanzig Minuten vor sieben Uhr morgens, draußen war alles ruhig. Die müde Wintersonne war noch nicht zu sehen, aber der Himmel im Osten verkündete schon ihren baldigen Auftritt. Ganz langsam musste die Dunkelheit weichen, sie musste Platz machen für einen Silberstreif am Horizont, der die Landschaft langsam aus den Schatten der Nacht holte. Der Winter war noch nicht zu Ende gegangen. In der Nacht hatte sich wieder eine dünne Schneedecke über die Felder gelegt. Jetzt aber war die Luft klar und klirrend kalt. Der helle Schnee machte das im Morgengrauen normalerweise Unsichtbare sichtbar, Rotwild lief über die Äcker in Richtung Hexenholz, dessen dunkle Silhouette sich deutlich gegen den Schnee abzeichnete und am oberen Rand sanft in Zwielicht des Himmels verschwamm. Schade, dass gerade Schonfrist war, sonst hätte sich dieser Morgen gut zur Jagd geeignet. 
Andreas Huber stand an der Stalltüre und starrte regungslos in eben diese Nacht. Hinter ihm hörte er das gleichmäßige malmen der Kühe, die genüsslich ihr Heu verschlangen. Sie waren gemistet und gemolken, leise klirrten die Ketten, an denen sie im Stall fixiert waren, hin und wieder hörte man ein lautes Schnauben. Alles schien friedlich. Aber im Kopf von Andreas Huber arbeitete es fieberhaft. Wie sollte er aus dieser Situation herauskommen? Auf dem Heuboden oben warteten zwei Menschen auf eine Lösung, aber es gab keine schnelle Lösung. Es musste ihm etwas einfallen, er muss seine Familie informieren. Das würde wieder ein Gezeter mit der Tochter geben. Dabei war sie an der Situation schuld, sie hatte die Geldübergabe vermasselt und ihn dadurch erpressbar gemacht. Dabei hatte er sich so sicher gefühlt, alles schien wunderbar zu laufen und dann lässt sich seine Tochter, das dumme Weibstück, das Geld vom Pfarrer abnehmen und es erreichte die eigentlichen Empfänger nicht. Viktoria, seine Tochter, nahm das Goldgeld und versteckte es in der Kirche im Beichtstuhl. Sie war die erste Sopranistin im Kirchenchor und wurde daher einmal in der Woche alleine ohne die anderen Sängerinnen und Sänger von dem Organisten unterrichtet. Das waren ideale Voraussetzungen, sie war immer ein paar Minuten vor ihm da und hatte dann Zeit, das Geld unbemerkt im Beichtstuhl zu verstecken. Der Geldbote kam dann und holten es in einem ebenso unbemerkten Moment ab und brachte es den eigentlichen Empfängern. Natürlich blieb da ein nicht unerklecklicher Batzen Geld beim Gruber hängen, Geschäfte vorbei an Gesetzen und der Justiz waren nun mal nicht ganz ungefährlich und auch nicht billig. Jetzt aber, vor zwei Wochen, ist etwas schiefgelaufen. Viktoria hatte 700 Goldmark im Beichtstuhl zum vereinbarten Zeitpunkt deponiert. Aber wie es der Teufel so will, - oder war es gar Gottes Wille, der Beichtstuhl steht schließlich in einem Gotteshaus - fiel das Geld dem Pfarrer in die Hände. Wahrscheinlich hat es die vorwitzige Mesnerin gefunden und gleich dem Pfarrer gebracht. Sie wird es auch gewesen sein, die dem Pfarrer gesteckt hat, dass Viktoria eben vorher in der Kirche gewesen sein musste, denn sie sperrte ja immer die Kirche auf und zu. Und der Herr Pfarrer hatte nichts Besseres zu tun, als Cilli, seine, Andreas Hubers Enkeltochter, darauf anzusprechen, dass die Mama mal mit ihm reden müsste. Also musste sich Viktoria auf den Weg zum Pfarrer machen. Sie hat es hinterher daheim genau erzählt, daher konnte sich Andreas Huber sehr gut vorstellen, wie es war. Erst bat sie der Pfarrer in sein Büro. Es war karg eingerichtet, die Wände waren gekalkt, auf den blanken Holzdielen des Fußbodens konnte man genau sehen, wo viel gelaufen wurde und wo die Sitzmöglichkeiten waren. Der Boden war an diesen Stellen durch die Schuhsolen so fein geschliffen worden, dass er glänzte und glatt wie ein Kinderpopo war. Viktoria setzte sich auf einen der beiden Stühlen vor den Holzschreibtisch, hinter den sich Pfarrer Fuchs setzte. Auf dem Schreibtisch stand nur ein Tintenfass, ein Tintenlöscher und in einer Schale aus grünem Onyx lag eine Schreibfeder und ein Brieföffner. Davor lag eine lederne Schreibunterlage in dunkelgrün, die schon deutliche Abnutzungsspuren aufwies. Man sah, dass ein Rechtshänder hier schon viel geschrieben hatte Pfarrer Fuchs legte seine gefaltete Hände auf die Schreibunterlage und blickte Viktoria durch seine Nickelbrille stumm und eindringlich an. Viktoria erwiderte seinen Blick, hatte aber nicht vor, als erste zu sprechen. Als Pfarrer Fuchs sie weiter nur schweigend ansah, schaute sie sich im Büro um. Sie wollte partout ihren Blick nicht vor ihm senken. Sie war eine schöne, großgewachsene Frau. Die beiden Schwangerschaften hatten kaum Spuren an ihrem Körper hinterlassen, im Gegenteil, ihre Formen sind weiblicher geworden. Wegen der schweren Arbeit war sie gut durchtrainiert. Ihre blauen Augen waren ein positiver Kontrast zu ihren brünetten Haaren, die sie sich als Zopf geflochten um den Kopf gelegt hat. Darauf war noch eine Haube mit Haarklammern befestigt. Sie trug zwar ihr Werktagsgewand, aber den guten wollenen Umhang und die warmen Stiefel, die sie sonst Sonntags in die Kirche anzog. Hinter Pfarrer Fuchs hing ein Ölgemälde, eine Mariendarstellung. Maria, in ein weißes Kleid und einen blauen Umhang gehüllt, stand auf einer blauen Kugel, zu ihren Füßen kringelte sich eine Schlange und in ihrer linken Hand hielt sie einen Lilienzweig. Marias Kopf war umhüllt von einer silber glänzenden Aura und von links oben brach eine weiße Taube durch die Wolkendecke. Es war die Darstellung der jungfräulichen Empfängnis von Maria, aber das wusste Viktoria nicht. Rechts und links davon waren hohe Bücherschränke, vollgestopft mit Büchern und Papieren. Das Durcheinander in den Schränken war ein erschreckender Kontrast zu dem asketisch wirkendem Schreibtisch. Rechts von Viktoria war in der Ecke der Herrgottswinkel und darunter ein kleiner Altar. Rechts davon wiederum stand noch ein riesiger Bücherschrank an der Wand. Diesem Bücherschrank gegenüber waren zwei quadratische weiß lackierte Sprossenfenster in der Wand. Was hinter ihr war, konnte sie jetzt nicht genau sehen, aber sie meinte, auch dort einen Bücherschrank beim Hereinkommen ausgemacht zu haben. Es roch hier muffig nach Staub und Schweiß, sie war sich aber nicht sicher, ob der Schweißgeruch von ihr oder vom Pfarrer stammte. Nun endlich wendete sie den Blick wieder Pfarrer Fuchs zu, der nun zu sprechen begann. Er konfrontierte sie damit, dass er 700 Goldmark im Beichtstuhl gefunden habe und er wäre sich sicher, dass das Geld nur von ihr stammen könne, sie sei ja schließlich die Bäuerin auf Hinterkaifeck. Er setzte ihr zu, sie solle sofort sagen, für wen das Geld wäre und warum sie so viel Geld da versteckt hätte. Und sie müsse beichten, wenn sie unrechte Sachen machen würde. Er würde alles der Polizei melden, wenn sie es nicht schlüssig erklären konnte. Sie könnte aber natürlich auch das viele Geld der Mission spenden, dann käme es einem guten Zweck zu Gute und das würde der Herrgott ihr sicherlich anrechnen. Nun ja, es kam, wie es abzusehen war, Viktoria überließ dem Pfarrer das Geld und sagte, es wäre für die Mission. Andreas Huber ist fast froh, dass die Sache so glimpflich ausging, denn hätte der Pfarrer tatsächlich die Polizei informiert, hätten die sicherlich nur unangenehme Fragen gestellt und in Dingen herumgestochert, in denen die Polizei nach Andreas Hubers Meinung besser nicht herumstocherte. Wie auch immer, das Geld hatte die Empfänger nicht erreicht und die sind jetzt ungehalten und sauer, mit Recht sauer und sie vertrauen ihm nicht mehr uneingeschränkt. Das ist das allerschlimmste, denn wenn das Vertrauen weg ist, wird er bald nicht mehr an den lukrativen Geschäften partizipieren können. Also musste er sich jetzt unbedingt bewähren. Er seufzte, blickte noch einmal in Richtung Hexenholz und wollte sich gerade wieder zum Stall wenden, als er plötzlich inne hielt und mit schreckgeweiteten Augen auf den Acker vor sich sah. Sein Herz begann wild zu klopfen, es klopfte bis zum Hals, er dachte, es müsste gleich zerspringen. Ein Herzinfarkt, so dachte er, wäre auch eine Lösung, dann müsste er sich nicht mehr mit den an allen Enden und Ecken zusammenfallenden Karten des von ihm mühsam errichteten Kartenhauses herumschlagen. Jetzt, in der zunehmenden Helligkeit des Morgengrauens, sah er, was der Schnee letzte Nacht angerichtet hatte. Im Schnee war deutlich sichtbar, dass sich zwei Menschen vom Hexenholz zum Hof bewegt hatten. Es sah nicht so aus, als würde der Himmel eine weitere Schicht Schnee als Mäntelchen des Versteckens darüber bereiten, aber auch die Sonne hatte mit Sicherheit nicht genug Kraft, um den Schnee schnell genug zu schmelzen, so dass seine neugierigen Nachbarn diese Spur nachher nicht deutlich sehen würden. 

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