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Montag, 5. Juli 2021

Die Wasserleichen

 


Es war eine laue Sommernacht von Samstag auf Sonntag, und Bruno wanderte auf Freiers Füßen.

Bruno der Schlagzeuger ging in den Jazzclub Vogler in Schwabing, am Abend fand hier das alljährliche Jitterbug-Festival zu den Schrillen Klängen von „Wimmer – Elvis“ statt. Die Teilnehmer alle Handverlesen, wie zu einem Fruchtbarkeitsritual der alten Azteken schwangen sie das Tanzbein. Bruno schaute sich um, heute Nacht oder Nie war sein Motto und er wollte sich noch eine Frau angeln, besonders weil ihm sein Cousin Franz Xaver genannt Drettenbacher Hias seinen Ford Streifentaunus geliehen hatte. Er wollte schon aufgeben, da traf in der Blitz beim Ramazzotti, da stand sie mit ihren verführerischen blauen Augen, den frechen blonden Zöpfen und den fünf Sommersprossen auf der Nase und dem weiß-blauen Petticoat. Er bekam keine Luft mehr, die Kehle war plötzlich so trocken, ja man konnte sagen die pure Erotik lag in der Luft, er wollte schreien aber er bekam keinen Ton heraus.

Das war sie die Traumfrau, Bruno war nicht schüchtern und bannte sich den Weg durch die Menge zu seiner Angebeteten, doch plötzlich war sie verschwunden. Sein Herz pochte bis zum Hals, da plötzlich sah er sie, wie sie sich mit einem anderen Burschen unterhielt. Endlich die „Richtige“ und dann doch zu spät, doch sie drehte sich plötzlich um und ging auf Bruno zu. Entschuldigung, fahren sie vielleicht in die Richtung Donaueschingen. Ich muss bis morgens um 7.00 Uhr zu hause sein. Bruno hatte auf diese Chance gewartet, wir können gleich fahren, ich muss nur noch bezahlen, warte doch bitte vor dem Ausgang. Er konnte sein Glück noch gar nicht fassen, so ein steiler Zahn.

Sie gingen zum Parkplatz und Bruno hielt die Fahrzeugtür auf und sie schenkte ihm ein zartes lächeln, dabei wurde Bruno leicht rot. Als sie so dahin fuhren schaltete Bruno das Autoradio ein. Irma lächelte verlegen und freute sich. Lass uns einen Abstecher zum Langwieder See machen meinte Bruno zu Irma, Irma nickte zustimmend. Sie hielten an einem leichten abschüssigen Badeplatz von wo aus man den ganzen See überblicken konnte. Da viel eine Sternschnuppe vom Himmel, Bruno meinte, "Du hast einen Wunsch frei“ und er legte seinen Arm um ihre Schultern und rutschte auf der durchgehenden Sitzbank zu ihr.

Er überlegte welches Kompliment er ihr machen sollte, da fing sie wie eine Plaudertasche zum erzählen an. Sie habe in der Auslage des Kaufhauses Oberpollinger ein paar wunderschöne Schuhe gesehen, aber leider viel zu teuer. Bruno war aufgeregt, wenn er die Situation nutzen wollte, musste er zuhören und sie reden lassen. Als es ihm zu viel wurde, küsste er ihren Nacken, ein leichter Aufschrei war die Folge. Er glaubte schon bei ihr verspielt zu haben, da drehte Irma ihren Kopf und küsste ihn mit einem feuchten Schmatz. Bruno hörte die himmlischen Klänge einer Harfe und wie zwei ausgehungerte vielen sie übereinander her. Bei „Love Me Tender“ berührte er mit dem Oberschenkel den Handbremshebel und der Wagen setzte sich unmerklich in Bewegung. Durch die Auf und Ab-Bewegung hatte sich das Bremsseil gelockert und auf dem Höhepunkt bei "Sea of Love" versank der Wagen in den Fluten. Gott schickte seine Seelenfischer aus, und so landeten sie als menschliches Treibgut im bayrischen Himmel. Als Gott mit der Unfall-Analyse und den Unfall-Skizzen fertig war, meinte er nur: „A so a saudumme G'schicht“.Nach der Klimatisierung begann für die beiden ein neuer Abschnitt.


Bruno bekam einen neuen Job beim Heaven - Central – Symphonic – Orchestra unter der Leitung von Heribert von Karaschmalz, er spielt jetzt die Ukulele.

Statt Zigarren zu drehen arbeitet Irma in der göttlichen Flachsspinnerei, weil im Himmel Suchtmittel wie „Havannas“ verpönt sind und weil auch das Rauchverbot eingehalten werden muss, schließlich leidet die heilige Familie oft an Asthmaattacken, zugezogen bei der Flucht vor König Herodes.

Bruno und Irmas Wege haben sich getrennt, doch bis heute erzählen sich die Leute, dass am Langwieder See ein Schutzengel über die Liebespaare wacht.


Liebespaar mit Auto im See versunken

München. (dpa) Mit einem Kraftwagen versanken in der Nacht zum Montag im Langwieder Autobahnsee bei München der 27jährige Münchner Musiker Bruno Sch. und die etwa 20jährige Zigarrenmacherin Irma B. aus B. bei Donaueschingen. Die beiden wurden tot geborgen. Sie hatten sich in einem Lokal der Innenstadt kennengelernt und waren in den frühen Morgenstunden an den See gefahren. Den Wagen hatte Sch. etwa zehn Meter vom See entfernt auf leicht abfallendem Wiesengelände geparkt. Plötzlich begann das Fahrzeug zu rollen, fuhr in den See und versank sofort. Nach Bergung des Autos wurde nach der polizeilichen Mitteilung vom Montag festgestellt, dass die Handbremse nur halb angezogen und kein Gang eingelegt war.

11.08.1959

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