Samstag, 27. Februar 2021

Spitzbart




Wir schreiben heute den 30. März 195. /9.15 Uhr ein kalter, regnerischer Tag.

In der „Löwengrube“, endete das obligatorische „Weißwurstfrühstück“.

Amtmann Schmid geht in seinem Büro auf und ab, hinter seinem Rücken tuscheln 
seine Untergebenen: „ Da Chef hod heid wieder a Laune.“ aber Amtmann Schmid 
kreisen viele Gedanken im Kopf herum. „Mein Gott, die Wirscht wan a scho a moi 
besser, de lign einem direkt im Magen.“ er geht zum Schrank öffnet sein Geheimfach 
und holt eine Flasche Obstler heraus,  schenkt sich ein Stamperl ein und auf Ex runter. 
Mei tut des gut, i glab de Wirscht hat da Kollege Zeilinger vom Metzger Strasser mit 
bracht, a so a Hallodrie, aber in einem anderen Mordfall. 

Er geht zu seinem Schreibtisch setzt sich auf seinen mit Leder bezogenen Stuhl für 
gehobene Beamte und wählt die Nummer 08/15. Am anderen Ende der Leitung meldet 
sich H.Schmitt. „Du kim a moi eina, i hob mit dir wos zu besprechen?“ 

Nach fünf Minuten klopft es an die Tür. Herein, ruft Amtmann Schmid, jetzt steht 
Oberkommissär Schmitt vor seinem Chef und schlägt die Hacken zusammen. 
Härns auf Schmitt de Zeiten san scho lang vorbei, wos, woid i ena glei no sog'n.

"Ach ja, Hinterkaifeck ist nicht der einzige unaufgeklärte Mehrfachmord, Schmitt."

Wir haben schon noch andere Leichen im Keller, und macht die Schublade auf und 
holt eine graue Aktenmappe hervor. Das ist die Akte „Spitzbart“ Schmitt, wie 
Reingruber werde ich nichts in meinem Tagebuch schreiben. "Das i den Kruzifix 
nia dawischt hob, Kreizsakra". Amtmann Schmid ist erregt, bekommt kaum noch Luft, 
ja 33 Dienstjahre bei der Kriminalpolizei fordern ihren Tribut. Schmitt nehmen sie die 
Akte, so wie ich sie damals vom Kriminal Schneidhuber bekommen habe. 

Servus. 

Was stand in der Akte "Spitzbart"?


Das Geheimnis des Spitzbarts 

Vier Frauen verschwanden – Eine ungewöhnliche Kriminalgeschichte.

„Passen Sie mir auf den Spitzbärtigen auf“, sagte Amtmann Johann Schmid, 
bislang Chef der Münchner Mordkommission, zu seinem Amtsnachfolger 
Hermann Schmitt, als er jetzt nach 33 Dienstjahren bei der Kriminalpolizei in Pension 
ging. 400 Mörder hat der heute 65jährige Kripobeamte zur Strecke gebracht. Aber den 
Fall des Spitzbärtigen, an dem sich schon seine Vorgänger die Zähne aus gebissen 
hatten, konnte auch er nicht klären. Und dabei ist er felsenfest überzeugt, dass
dieser unheimliche Greis, der immer noch wie ein Gespenst durch München geistert, 
ein vierfacher Mörder ist. Die Akten dieses höchst merkwürdigen Kriminalfalles, 
die Amtmann Schmid jetzt an seinen Nachfolger weiterreichte, gehen bis ins Jahr 1917 
zurück. Damals war in München eine 42 jährige Frau spurlos verschwunden. Ihr Mann 
wurde unter Mordverdacht verhaftet. Man stellte fest, dass er seine Frau öfters schwer 
misshandelt hatte und dass er kurz vor ihrem Verschwinden mit einem zugedeckten 
Handkarren in seinem Heimgarten gefahren war. Das ganze Grundstück wurde fünf 
Meter tief umgegraben. Aber man fand keine Leiche. Der Mann wurde freigelassen. Es
war der Spitzbärtige. 

Im Jahre 1932 verschwand in München wieder eine Frau, die 41 jährige Schuhmachers 
Witwe Maria Moser. „Ich habe einen einflussreichen Herrn kennengelernt“, hatte sie 
noch ihrer Nachbarin mitgeteilt, „der will mir eine Stellung verschaffen.“ 
Im Münchener Ausstellungspark wurde sie zum letzten Male in Begleitung eines 
kleinen, hinkenden Mannes gesehen. Es war wieder der Spitzbärtige. 
Aber auch diesmal konnte ihm die Polizei nichts nachweisen. Im Jahre 1943 hatte 
zum ersten Male der Kriminalbeamte Johann Schmid, der damals schon Chef der 
Mordkommission war, mit dem Unheimlichen zu tun. Wieder war eine Frau, die 
Hilfsarbeiterin Julie Wenrich, vermisst gemeldet. 

Der kleine Mann mit dem Hinkefuß und dem grauen Spitzbart, der damals beim NS- Volksbildungswerk arbeitete, war bei der Frau gut bekannt und hatte ihr öfters Karten 
für Lichtbildvorträge besorgt. Aber wieder musste nach tagelangem Verhör freigelassen 
werden. Ein Jahr später verschwand die Kellnerin Margarete Schreier, 
Schmid stellte fest, dass in der Wirtschaft, in der die Vermisste gearbeitet hatte, der
graue Spitzbart Stammgast war. Einmal hatte man beobachtet, wie er der Kellnerin 
am Abend heimlich folgte. Er hatte dabei sein Gesicht durch einen Wollschal 
vermummt und sich unter den Mantel einen künstlichen Höcker geschoben. 
Aber zu einem Mord gehört eben auch eine Leiche.

Der Spitzbart blieb wiederum ungeschoren. Im Mai 1945, wenige Tage nach dem 
Einmarsch der Amerikaner, hörten die Gäste in einer Münchner Wirtschaft 
gellende Schreie vom oberen Stockwerk. Als sie in das Zimmer eindrangen, 
überraschten sie einen kleinen Mann, der gerade auf eine junge Frau eindrang. 
Es war der Spitzbärtige. Die Überfallene, die Zeitungsträgerin Maria Wiedmann, 
sagte aus: „Er hatte mich gebeten, ihm bei einem Experiment mit ultravioletten
Strahlen zu helfen. Ich musste mich mit einem kleinem Metallspiegel in der 
Hand auf einen Stuhl setzen. Er nahm einige Drähte auseinander, deckte mir ein 
Tuch über den Kopf und löschte das Licht. Plötzlich erhielt ich einen Schlag 
auf den Hinterkopf.“ Im Jahre 1946 wurde der Spitzbart vom Landgericht 
München wegen versuchten Mordes zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt, aber 
schon nach fünf Jahren wegen guter Führung wieder entlassen. 

Vergeblich hoffte Amtmann Schmid, ihm endlich die Larve vom Gesicht reißen 
zu können. Vor einigen Monaten versuchte er es noch einmal mit einer 
Fahndungsmeldung: „Von 1932 bis 1944 verschwanden in München drei Frauen
auf rätselhafte Weise.
Niemals mehr wurde von ihnen eine Spur entdeckt. 
Es darf angenommen werden, dass sie einem Verbrechen zum Opfer gefallen sind. 
Sachdienliche Mitteilungen erwünscht ..." 

Aber der kleine Mann mit dem grauen Spitzbart geistert weiter unbehelligt durch 
München. Er ist heute 77 Jahre alt. Wird er sein Geheimnis mit ins Grab nehmen, 
das Geheimnis, ein „perfekter Mörder“ gewesen zu sein? Immer wenn ihn der jetzt 
pensionierte Amtmann Schmid irgendwo in den Straßen trifft, höhnt der unheimliche 
Greis mit seiner meckrigen Stimme: „Weisen sie es mir doch nach.“