Dienstag, 16. März 2021

Aktenzeichen XY

Noch ein dritter Mordfall aus dem ehemaligen Landgerichtsbezirk Neuburg a.D.,
der auch schon Jahre zurückliegt, hat noch keine Aufklärung erfahren, der 
Stuhlermord von Mödingen bei Dillingen. Stuhler wurde in seiner Eigenschaft 
als Jagdaufseher aus dem Hinterhalt im Walde niedergeschossen. Auch hier konnten 
die vorgenommenen Verhaftungen kein greifbares Ergebnis zeitigen. 

Wer weiß, ob je der Schleier über die drei entsetzlichen Verbrechen gelüftet wird! 

Neue Augsburger Zeitung, Juli 1932




Exhumierung nach zehn Jahren

Der vor zehn Jahren erschossene Waldaufseher Stuhler wurde in Mödingen in
Anwesenheit einer Gerichtskommission exhumiert. Der Ausgrabungen musste 
auch der des Mordes verdächtigte Hilfsarbeiter Georg Wiedemann beiwohnen.
Die Exhumierung hatte den Zweck, zu klären, ob Stuhler in den Schädel einen 
Schuss mit einer 6.35mm Pistole erhalten hatte, was sich nach der Ausgrabung 
bestätigte.

Eine Auflösung war aber noch nicht möglich.

Mödingen, Oktober 1931




                                                             

Fotos aus myHeimat

                                                             
Anmerkung: Auf der Gedenktafel sieht man einen Schützen, der mit einem Gewehr 
                       auf das Opfer zielt. Der tödliche Schuss erfolgte laut Gerichtskommission,
                       aber aus einer Pistole, also kann es kein Distanzschuss gewesen sein.



Neben Hinterkaifeck, dem Brückl - Mord wurde auch der Stuhler - Mord nie aufgeklärt.

Mittwoch, 3. März 2021

Die Kurpfuscherin





O mei, guda Mo, deine Eigerl (Augen) san ja scho ganz gelb, du werst es nimma 
lang macha, meinte Madame Hohenester zu Graf Donatus Benefizius von Rachenstein 
und zu Zahnschmelz jüngere Linie.
Der Bedauernswerte erhob sich vom Stuhl und fragte:“Wie lange noch?“ schlecht zum 
sog'n, wenst ned die Schwindsucht griagst vielleicht no a Johr. Vergelt's Gott, 
Madame Hohenester. Ja nix für un'guad.

Hoid, Hoid ,wos is min Opulus, oder moanst i behandelt di umasunst. 20 Gulden 
kriag i vo dir. Der Graf holt seinen Lederbeutel aus dem Hosensack und bezahlte die 
geforderte Summe. Kann ich eine Rechnung haben! Na, konnst ned hom, weil bei dir 
hob i scho an Sonderpreis g'macht und jetzt schleichst di, sonst hetze da meine 
Hund auffi. Schaun na ned o, da kannt i ja glei beim Finanzamt an 
Offenbarungseid leisten, mit dem „Schätzen“ fahr i vui bessa.

Ja wos riecht den do a so va'brennt, Mali geht hinunter in die Kräuterküche. 
Ja seid's es narrisch won, da Sud muas umgrührt wern, es Baraba-Weiwa. Um äus 
muas ma sä seiba kümmern. Mali, verlässt Wutschnaubend die Kräuterküche, 
als sie die Treppe hinauf in ihre Gemächer steigen will, steht da eine Bauersfrau.
Ja, de Katzbacherbäuerin vo Spatzenhausen, wos dust denn du do? 
Es is wega mein Oiden, Mali. Mei, außenrum schaugt mei Mo ja no ganz guad aus, 
aber eiwendig is er hoid ganz derfeit und i - brauchat a Medizin“.
Für'n Katzbacher gibt’s koa Medizin, bei da Syphilis muas a auf Oid-etting.(Altötting)

Mali ist gereizt, sie denkt über ein Potenzmittel aus der Natur nach.
Lange war ihr Rezept verschwunden, heute ist es unter dem Namen „Viagra“ bekannt. 




Amalie Hohenester war die Tochter von Michael und Bibiana Nonnenmacher. 
Die Mutter, eine willensstarke und energische Person, der ein unguter Ruf 
anhaftete, stammte aus Ungarn. Ihr wurde „Wettermachen“ und der gleichen 
nachgesagt. 
Außerdem war sie beim Landgericht Miesbach wegen Abtreibung verzeichnet. 
Sie besaß Kenntnisse im Umgang mit Kräutern und den daraus gewonnenen 
Essenzen, die sie später an ihre Tochter weitergab. Der Vater, „Haberlbauer“ 
zu Marschall bei Holzkirchen,  war außerdem Pferdehändler. Amalie war das 
fünfte Kind. Ihre Brüder machten im bayerischen Oberland als Angehörige der 
„Haberl-Bande“ von sich reden.

Im Jahre 1833 machte der damals 18 jährige Simon Nonnenmacher erstmals 
als Wilddieb und Opferstockplünderer von sich reden.
Nach zwei Jahren hinter schwedischen Gardinen änderte er sein Profil und
wurde Räuberhauptmann. Sein Aktionsbereich erstreckte sich über Miesbach, 
Rosenheim, Tölz, Wolfratshausen bis nach Freising. Bei einem Feuergefecht
im Jahre 1839 erschoss eines seiner Bandenmitglieder einen Gendarmen.

Vom Opferstockplünderer Simon Nonnenmacher ist folgender Spruch überliefert.

                                         "Ich bin der Haberl Simmer,
                                              Koa Geld hab i nimmer!
                                    Unsere Frau Maria braucht koa Geld,
                                         aber i muaß lebn auf dera Welt"
 

Auch Amalie kam bereits als 14-jährige mit dem Gesetz in Konflikt, als sie 
amtliche Siegel abriss.
Danach fiel sie durch Herumstreunen und Diebstahl auf. Mit 17 Jahren wurde 
sie wegen „lüderlichen Lebenswandels“ festgenommen und in der weiteren 
Folge mit behördlichen Auflagen belegt, die ihr das Verlassen des 
Heimatbezirks für zwei Jahre verboten. 
Sie hielt sich aber nicht daran, so dass sie es immer wieder mit der Polizei zu 
tun hatte. Mit 23 Jahren arbeitete sie als Dienstmagd in München, wo sie häufig 
die Stelle wechselte. Bei einer Gräfin Sandizelldie sie auf Reisen mitnahm, 
lernte sie den Umgang in Gesellschaft, was ihr später noch zugute kam. 
Bei der Gräfin kam es dann aber ebenfalls zu einer überstürzten Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses.

Im Mai 1856 wurde sie in Frankfurt aufgegriffen und nach München 
abgeschoben. Zurück in Marschall, begann sie, zusammen mit ihrer Mutter, 
Kranke aus der Umgebung zu behandeln, und eignete sich dabei 
naturheilkundliches Wissen und weitere Fähigkeiten im Umgang mit Menschen 
an. Wegen „Pfuscherei“ wurde die 32-jährige 1859 vom Landgericht Miesbach 
zu zwei Tagen Polizeiarrest verurteilt. Allerdings war der Begriff Pfuscherei 
damals noch nicht mit der negativen Konnotation von heute verbunden, 
sondern bezeichnete eine heilende Tätigkeit ohne entsprechende ärztliche 
Ausbildung, vergleichbar der eines Baders. Eine ärztliche Betätigung ohne 
diese Voraussetzung war aber auch damals schon nach einem Paragraphen 
nicht erlaubt.

Ihr Geltungsbedürfnis und ihre instinktive Kenntnis der Massenseele 
zwingen die Menschen in ihren Bann. Ihre Praxis floriert in der einfachen 
Bauernküche derartig, dass sie nach etlichen Jahren das Bad Mariabrunn 
bei Dachau kaufen kann, wo sich Fürsten, Millionäre und ganz berühmte 
Leute aus aller Welt die Klinke in die Hand geben. Selbst der berühmte 
Professor Pettenkofer ist von der Kurpfuscherin beeindruckt. Hoch angesehen 
ist sie 1878 gestorben und hat ein riesiges Vermögen hinterlassen, außerdem 
das Gut Mariabrunn, das sie zu einem Musterbetrieb ausgebaut hatte.

Mariabrunn kam 1863, nachdem es die „Doktorbäuerin“ gekauft hatte, 
zu seinem größten Glanz. Ihre Diagnosen, woher immer sie diese auch nahm, 
verblüfften die Heilungssuchenden. Mit verschiedenen Teesorten, Kräutern, 
Bädern und kargem Essen erzielte sie viele Heilungen. In den damaligen 
Gästebüchern sind Adelige und sonstige prominente Leute aus ganz Europa 
verzeichnet, dem entsprechend vergrößerte sich auch ihr Besitz. Sie führte 
ein sehr strenges Regiment; der behördlich vorgeschriebene Badearzt 
spielte ebenso wie ihr Mann nur eine untergeordnete Rolle.

Trotz ihrer Strenge war sie aber sehr sozial eingestellt. Es gab damals noch 
keine staatlichen Versorgungskassen. Wurde von ihren ca. 80 Angestellten
jemand krank oder zu alt zum Arbeiten, so durfte er in Mariabrunn bleiben 
und wurde versorgt. Ein großes Bild in der Gastwirtschaft in Mariabrunn 
gibt heute noch Zeugnis von dieser erfolgreichen, aber auch etwas 
geheimnisumwitterten Frau. Bald nach ihrem plötzlichen Herztod im Jahre 
1878 ging es mit der Anziehungskraft von "Bad Mariabrunn" und damit auch 
wirtschaftlich steil abwärts. Nach etlichen Jahren wurde Mariabrunn
versteigert.


Pfaffenhofen. Das einst unter der Leitung der „Doktorbäuerin“ weltbekannte 
Bad Mariabrunn, zu dem Tausende aus aller Herren Länder vertrauensselig 
gepilgert, um Heilung von ihren leiden zu suchen, kommt wie das „Amtsblatt“ 
mitteilt, unter den – Hammer. Der Notar in Dachau versteigert
das ganze Badeanwesen samt Brauerei, Wirtschaft u.s.w. am Dienstag, den 
9. Mai im Zwangswege.

13.04.1899